Ausblicke und Einsichten
Produktnummer:
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Autor: | Keitel, Gertrud |
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Themengebiete: | Erlebnisse Familen Humor Reflexionen kurze Erzählungen |
Veröffentlichungsdatum: | 11.06.2024 |
EAN: | 9783949150272 |
Sprache: | Deutsch |
Seitenzahl: | 201 |
Produktart: | Kartoniert / Broschiert |
Verlag: | Fabuloso |
Produktinformationen "Ausblicke und Einsichten"
Hauptbeschreibung Kein Fernsehen, kein Handy, kein Internet, keine Kontakte? - Oh doch! Nach der Arbeit saßen die Menschen am Feierabend oder an Sonntagen auf ihren Bänken vor den Haustüren. Sie sahen das Vieh über die Dorfstraße heimkehren. Sie hörten lachende Kinder mit ihren schnatternden Gänsen näherkommen. Nachbarn fanden sich ein und Geschichten wurden erzählt oder Pläne geschmiedet: 'Weißt du noch, letztes Jahr, nach dem Erntedankfest?' 'Habt ihr schon gehört, der Hermann will einen alten Ochsen verkaufen.' 'Wollen wir dieses Jahr wieder einen Tanz in den Mai veranstalten?' Es gab viel Arbeit tagsüber und viele Themen am Abend. Und ich war damals als kleines Mädchen dabei. Heute sind die meisten Bänke vor den Häusern verschwunden, aber in diesem Büchlein werden sie noch einmal aufgestellt; die damaligen Dorfbewohner nehmen ihre Plätze ein und die Leserinnen und Leser sind herzlich eingeladen, sich dazu zu gesellen. Leseprobe Bertas letzte Ehre Bauer Friedrich Pachel war mit seinem Karren unterwegs, der mit Milchkannen beladen war. Wie fast jeden Morgen brachte er die gefüllten Kannen zur Milchbank mitten im Ort. Nicht, dass dies unbedingt eine Arbeit für den Großbauern war, aber er machte es gern, trafen dort doch morgens auch noch andere ein, und da konnten Neuigkeiten des Dorfes ausgetauscht werden. Dies war für die Anwesenden ergiebiger als die Tageszeitung. Das Milchauto kam pünktlich, folglich war es sicher, immer jemanden anzutreffen. Die Unterhaltung zog sich an Tagen, wenn nicht so viel Arbeit anstand, oft in die Länge, und wenn dann die Chefs nach Hause kamen, war die Stallarbeit schon getan. So auch an diesem Morgen. Friedrich stand mit drei anderen Herren zusammen und wollte sich grade verabschieden, da sah er Karl Wegner um die Ecke kommen. Er erkannte ihn von Weitem, denn Karl hatte ein steifes Bein aus dem letzten Krieg behalten und sein Gang war beschwerlich. Nun war Karl im Dorf „Mädchen für alles“. Er war der Gemeindediener geworden. Bescheiden verrichtete er alle ihm aufgetragenen Arbeiten, und wenn er es nicht schaffen konnte, half ihm seine Frau. Sie war Küsterin und für die Sauberhaltung der Kirche zuständig. Hierbei half wiederum Karl, besonders beim Morgen- und Abendgeläut. Dies sollte morgens um sechs und abends um achtzehn Uhr stattfinden. Meistens stimmte die Zeit auch und wenn nicht, sagten die Leute, die es merkten: „Na, heute hat es Karl aber wieder eilig“, oder „heute hat Karl wohl zu lange geschlafen.“ Beanstandungen gab es nie. Lediglich um neun, das Totengeläut, das musste stimmen. Als Karl näher zu der Männergruppe kam, rief Friedrich ihn zu sich. Er war nämlich auch Bürgermeister und hatte einen Auftrag zu vergeben. Die eine Hecke am Friedhof musste gekürzt werden und Karl lauschte den Ausführungen seines Vorgesetzten. Plötzlich kam aus dem gegenüberliegenden kleinen Haus die Witwe Emma Bauer herausgelaufen. Sie wedelte mit den Armen und rief immer wieder: „Meine Berta, ach die arme Berta, die ist tot.“ Die Männer sahen sich an und Karl fragte: „Welche Berta ist tot?” Die anderen hatten noch nichts von einem Todesfall im Ort gehört und nun sollte Berta tot sein. Im Dorf gab es mehrere Bertas, aber alle lebten doch noch, es musste ganz plötzlich passiert ein. Egal, es wird sich aufklären, meinte Karl. Aber er war ja nun schon in der Nähe der Kirche, und es war kurz vor neun, da würde er gleich die Totenglocke läuten. „Ja, mach das mal, wir werden schon hören, was passiert ist“, meinte Friedrich in seiner Eigenschaft als Bürgermeister. Die Männer begaben sich auf den Heimweg und Karl stieg die Stufen zum Kirchturm hinauf, um die Glocke zu läuten. Bei den ersten Glockenklängen zu dieser Tageszeit gingen sofort Türen und Fenster im Ort auf, und eine Frage bewegte alle: „Wer ist gestorben?“, und Friedrich konnte nur antworten: „Berta ist gestorben.“ Auch Karl und die Anderen wussten nicht mehr. Es blieb nichts anderes übrig, eine Nachbarin klopfte bei Emma und fand diese am Küchentisch weinend vor. „Ach Emma, was ist denn passiert?“ Unter Weinen erzählte Emma: „Meine Berta, meine treue Berta ist tot.“ Und die Nachbarin kannte Berta, es war die alte Ziege von Emma Bauer und ihr kostbarer Besitz. Nun gab es eine wirkliche Neuigkeit im Dorf: „Der alte Karl hat die Ziege von der Emma ausgeläutet!“ Gelächter und Spott trafen nicht nur den Karl, auch die anderen Bauern, die nicht nachgefragt hatten, mussten einiges an Häme einstecken. Noch viele Jahre lang fragte man sich im Ort, wenn es um neun läutete: „Ob es wieder eine Ziege ist?“

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